1 Einleitung

In der Fertigungsmeßtechnik müssen häufig Temperaturen an Werkstücken oder mechanischen Meßeinrichtungen mit geringer Unsicherheit gemessen werden. Die verwendeten Sensoren sollten möglichst klein, trägheitsarm und kostengünstig sein und sich zur direkten Messung von Temperaturdifferenzen eignen. Diese Forderungen werden besonders gut von Thermoelementen erfüllt.

Wegen der geringen Nutzspannungen der Thermoelemente von etwa 40 m V/K ist jedoch für Messungen mit Meßunsicherheiten von < 10 mK ein hoher apparativer Aufwand durch die Verwendung von Nanovoltmetern und teuren thermokraftarmen Schaltern zur Kommutierung erforderlich. Zudem ist eine Automatisierung der Messung eingeschränkt, da die thermokraftarmen Schalter im allgemeinen manuell zu bedienen sind.

Hier wird eine vergleichsweise einfache Lösung mit hoher Meßgenauigkeit (die Meßunsicherheit beträgt < 1 mK) und gleichzeitig vollautomatischem Meßablauf vorgestellt.

2 Meßprinzip und Aufbau

Die Einrichtung ist aus Moduln der Prozeßperipherie PP2 1), die durch eine relaisgesteuerte Multiplexereinheit und einen Nano-Volt-Vorverstärker ergänzt wurden aufgebaut (Figur 1 und 2).

Die Thermospannungen von n Thermoelementen werden von der Multiplexereinheit nacheinander in beiden Polarisationsrichtungen zum Vorverstäker durchgeschaltet und gemessen. Die Multiplexereinheit enthält dazu für jedes Thermoelement 2 bistabile Relais mit jeweils 2 parallelen Arbeitskontakten (in der Abbildung untereinander dargestellt). Mittels dieser Relais kann die Spannung des zugeordneten Thermoelementes in beiden Polarisationsrichtungen (entweder die Kontakte des einen oder des anderen Relais geschlossen) durchgeschaltet oder ausgeschaltet (alle Kontakte geöffnet) werden. Die für die Umschaltung der erforderlichen Spulendurchflutungen werden von einer digitalen Ein-/Ausgabeplatine PP2-DEA erzeugt.

Figur 1

Die Ausgangsspannung des Vorverstärkers wird von einer Analogeingabeplatine PP2-AE7.1 nachverstärkt und analog-digital-gewandelt.

Der Meßablauf wird von einem Einplatinenrechner PP2-P1 gesteuert, der nach Außen über eine RS 232- Schnittstelle kommuniziert (siehe 4).

 

 

Figur 2: Vorverstärkerschaltung

Die Relaisspulen werden zur Einsparung von Aufwand und Leitungen (siehe 3) von den Digitalausgängen entsprechend einer 4 x 8-Matrix angesteuert (siehe Figur 3). Die Spulenauswahl erfolgt dabei nach dem Koinzidenz-Prinzip: durchflutet wird die Spule, deren Zeile mit 5 V (logisch Eins) und deren Spalte mit 0 V (logisch 0) angesteuert wird. Da für eine Meßstellenumschaltung jeweils die Kontakte eines Relais (letzte Meßstelle) geöffnet und die eines anderen Relais (neue Meßstelle) geschlossen werden müssen, sollten zur Meßzeiteinsparung und zur Verhinderung einer Übersteuerung des Vorverstärkers (eine Thermospannung sollte permenent anliegen) möglichst zwei Spulen, eine Öffnungs- und eine Schließspule, gleichzeitig angesteuert werden können. Die bistabilen Relais besitzen zum Öffnen bzw. zum Schließen ihrer Kontakte getrennte Spulen. Zur Realisierung der gleichzeitigen Ansteuerbarkeit werden die Öffnungs- und die Schließspulen jeweils durch eigene 4 x 8-Matrizen entsprechend Figur 3 angesteuert (mit einer Matrix kann gleichzeitig nur eine Spule angesteuert werden). In Figur 3 sind die Öffnungs- bzw. Schließspulen nach Relaisnummern geordnet. Mittels der Relais 1 und 2 wird das Thermoelement 1 in beiden Polarisationsrichtungen zum Vorverstärker geschaltet, mittels der Relais 3 und 4 das Thermoelement 2 usw. Die in Figur 3 eingezeichneten Dioden verhindern einen Stromfluß über 2 Spulen.

Figur 3: Anschlußplan der Schließ- bzw. Öffnungsspulen der Relais

Der Meßablauf wird von einem Einplatinenrechner PP2-P1 gesteuert, der nach Außen über eine RS 232- Schnittstelle kommuniziert (siehe 4).

3 Meßunsicherheit

Zur Realisierung einer Meßunsicherheit von < 1mK müssen die Spannungen der Thermoelemente mit einem maximalen Fehler von etwa 20 nV gemessen werden. Dazu sind spezielle Maßnahmen im Vorverstärker und in der Multiplexereinheit erforderlich.

Im Vorverstärker und in der nachgeschalteten Elektronik gibt es eine Reihe von Störspannungen, die die Meßunsicherheit begrenzen. Dazu gehören z. B.: Rauschspannungen (Widerstandsrauschen, 1/f-Rauschen), parasitäre Thermospannungen, Offsetspannungen der Operationsverstärker oder Spannungen, die durch Leckströme und temperaturbedingte Widerstandsänderungen verursacht werden.

Zur Kompensation der niederfrequenten Komponenten dieser Störspannungen werden die Thermospannungen in beiden Polarisationsrichtungen gemessen und aus den Meßwerten die Differenzen gebildet. Dabei werden die Anteile der Störspannungen subtrahiert und die der Thermospannungen addiert. Entsprechend werden die niederfrequenten Komponenten der Störspannungen im Frequenzbereich von etwa 0 £ f < 1/Tm, deren Änderung während der Meßzeit Tm vernachlässigbar ist, ausgelöscht. Unter der Meßzeit wird dabei die zur Messung einer Thermospannung in beiden Polarisationsrichtungen benötigte Zeit verstanden. Die Differenzen enthalten dann nur noch höherfrequente Komponenten der Störspannungen, die sich in einem Frequenzbereich von etwa 1/Tm < f < fOG befinden. Die obere Frequenzgrenze fOG ergibt sich im wesentlichen durch die Filterwirkung des integrierenden Analog-Digital-Wandlers mit der Integrationszeit von 20 ms (50 Hz-Unterdrückung).

Die höherfrequenten Komponenten der Störspannungen lassen sich nach ihrer Entstehungsart in Rauschspannungen (Widerstandsrauschen, 1/f-Rauschen) und Temperaturspannungen, die durch Temperaturfluktuationen über z. B. parasitäre Thermospannungen, Leckströme oder Widerstandsänderungen entstehen, unterteilen.

Zur Reduzierung der Rauschspannungen wurde der Vorverstärker mit besonders rauscharmen Operationsverstärkern bestückt und niederohmig dimensioniert (siehe Figur 2).

Die Temperaturspannungen wurden durch die Reduzierung der Temperaturfluktuationen im Vorverstärker weitgehend beseitigt. Dazu wurde der Vorverstärker in einem Thermoblock-Gehäuse untergebracht und zusätzlich gegenüber der Umgebung thermisch isoliert. Zur Vermeidung einer Wärmeübertragung über Leitungen wurden die Verbindungsleitungen zum Vorverstärker besonders dünn ausgeführt und mit dem Thermoblock-Gehäuse thermisch gekoppelt.

Eine weitere Maßnahme zur Reduzierung der höherfrequenten Störspannungen ist die Realisierung einer möglichst kurzen Meßzeit Tm, wodurch die Bandbreite 1/Tm < f < fOG verkleinert wird (siehe oben).

Hohe Anforderungen werden auch an die Multiplexereinheit gestellt, die die zu messenden Thermosspannungen auswählen und in beiden Polarisationsrichtungen (mit und ohne Kommutierung) unverfälscht mit einem zulässigen Fehler von nur maximal 20 nV zum Vorverstärker übertragen muß. Dazu wurden folgende Maßnahmen getroffen:

Zur Vermeidung von parasitären Thermospannungen, die die Nutz-Thermospannungen undefiniert überlagern würden (keine Kompensation durch Kommutierung möglich), müssen die Temperaturgradienten innerhalb der Multiplexereinheit deutlich unter der geforderten Meßunsicherheit von 1mK gehalten werden. Dazu wurde die Multiplexereinheit, wie der Vorverstärker, in einem Thermoblock-Gehäuse mit einer zusätzlichen thermischen Isolation zur Umgebung untergebracht. Zur Vermeidung von Erwärmungen werden bistabile Relais (thermospannungsarme DS-Relais von Matsushita) verwendet, die möglichst selten (siehe 4) und mit Impulsen minimaler Dauer (ca. 5 ms) geschaltet werden. Ebenfalls zur Vermeidung von Erwärmungen wird innerhalb der Multiplexereinheit auf jegliche aktive Bauelemente, etwa zur Verstärkung, Impedanzwandlung oder Steuerung, verzichtet (toter Kasten). Zur Vermeidung einer Wärmeübertragung über Leitungen werden möglichst wenige (siehe Spulenansteuerung in Abschnitt 2), dünn ausgeführte und mit dem Thermoblock-Gehäuse thermisch gekoppelte Verbindungsleitungen verwendet. Die Leitungen der Thermoelemente sind direkt an die Relaiskontakte angelötet. Zwischengeschaltete Steck- oder Schraubverbindungen würden zusätzliche Thermoelemente ergeben. Durch die Verlötung werden Kontaktspannungen durch mechanische Instabilitäten vermieden.

4 Programme

Die Software besteht aus einem ROM-residenten Meßprogramm eines Einplatinenrechners PP2-P1 und einem PC-Programm zur Bedienung und Auswertung. Mit dieser Kombination können die praktischen Anforderungen optimal erfüllt werden. Das Meßprogramm steuert die Meßdatenerfassung in einer zeitlich fest definierten Ablauffolge, was das PC-Programm wegen der Timesharing-Eigenschaften moderner Betriebssysteme (Windows 95, Windows NT) nicht leisten kann. Im PC-Programm werden dagegen die komfortablen Möglichkeiten moderner Software zur Bedienung, Auswerten und Darstellung der Meßdaten voll genutzt (grafische Bedienoberfläche, mausgesteuerte Darstellung der Meßergebnisse). Zudem können Hardware-Änderungen ohne Eingriff in das PC-Programm im relativ einfachen Meßprogramm leicht berücksichtigt werden. Das Meßprogramm und das PC-Programm kommunizieren miteinander über eine RS 232-Schnittstelle.

Zur Zeit stehen verschiedene Meßprogramme für mehrere Analog-Digital-Wandler verschiedener Auflösung und unterschiedlicher Art der Meßstellenauswahl zur Verfügung. Ein häufig benutztes Standard-Meßprogramm funktioniert so:

Die Meßwerte werden durch ein vom PC-Programm gesendetes Byte (Inhalt irrelevant) angefordert. Als Reaktion darauf sendet das Meßprogramm die Meßwerte für alle Meßstellen (beginnend mit Meßstelle 1, fortsetzend mit 2, 3 usw.), die bereits vorher gemessen und gespeichert wurden, prompt und führt anschließend eine neue Messung und Speicherung durch. Die Meßwerte entsprechen den binär verschlüsselten 16-Bit Digitalwerten der Thermospannungen und werden byteweise (das niederwertige Byte zuerst) übertragen. Zur Ermittlung der Meßwerte werden die Thermoelementspannungen in beiden Polarisationsrichtungen zur Reduzierung des Rauschens jeweils 8 fach gemessen und die Einzelmeßwerte (16-Bit Ausgangswerte des Analog-Digital-Wandlers) gemittelt und subtrahiert. Der zeitliche Ablauf ist durch folgende Parameter festgelegt: Die Dauer der Spulenströme zur Umschaltung der Relais beträgt 10 ms. Zwischen der Umschaltung der Relais und dem Beginn der Achtfachmessung ist zur Überbrückung von Einschwing- und Temperaturausgleichsvorgängen eine Pause von 20 ms vorgesehen. Die Achtfachmessungen werden mit einer Frequenz von etwa 10 Hz ausgeführt. Damit beträgt die zur Ermittlung eines Meßwertes erforderliche Zeit (Meßzeit) insgesamt etwa 2 s.

Das PC-Programm wurde in HPVEE 2) - eine vereinfachte, objektorientierte Hochsprache - erstellt. Es holt sich die Meßwerte vom Meßprogramm, errechnet daraus die Temperaturen und stellt sie dar oder speichert sie. Dabei kann die detaillierte Ausführung in vielen Parametern per Maus gesteuert werden (Rate der Meßwerte, Korrektur- und Kalibrierverfahren, Darstellungsart der Ergebnisse).