Es wird eine Einrichtung zur hochgenauen Temperaturmessung mit Platinfühlern vorgestellt. Da die Einrichtung über viele Meßkanäle verfügt und zusätzlich die Messung des atmosphärischen Druckes und der Feuchtigkeit gestattet, ist sie für die Anwendung in der hochauflösenden Längenmeßtechnik besonders geeignet.

1 Einleitung

Die immer kleineren werdenden Längen, die in der Fertigungsmeßtechnik und Mikrometrologie beherrscht werden müssen, erfordern auch eine genauere Messung und Berücksichtigung der Temperaturen an den Werkstücken und den mechanischen Meß- und Kalibriereinrichtungen. Entsprechend wächst der Bedarf an Temperaturmeßgeräten mit geringer Meßunsicherheit -etwa bis herunter zu 1 mK- und vielen Meßkanälen. Geräte dieser Genauigkeit wurden bisher hauptsächlich auf der Basis aufwendiger und teurer Wechselstrombrücken mit meist nur einem oder zwei Meßkanälen zur Kalibrierung realisiert.

Hier wird ein relativ einfaches und preiswertes Temperaturmeßgerät für Platinwiderstände als Temperaturfühler vorgestellt, das bei höchster Genauigkeit (die absolute Meßunsicherheit der Elektronik beträgt weniger als 0,5 mK) praktisch beliebig viele Meßkanäle (typisch 30 Stück) besitzt. Auch durch weitere Eigenschaften ist es für den Einsatz in der Fertigungsmeßtechnik besonders geeignet: Das Gerät kann um Komponenten zur Luftdruck- und Feuchtigkeitsmessung sowie um hochgenaue Meßkanäle für Thermoelemente erweitert werden. Die kombinierte Temperaturmessung mit Platinwiderständen und Thermoelementen ist zur Bestimmung von Temperaturverläufen (Gradienten) besonders geeignet. Auch die Software wurde für den praktischen Einsatz in der Fertigungsmeßtechnik optimiert.

2 Aufbau und Meßprinzip

Die Einrichtung ist als 19² -Steckkartengerät aus Moduln der Prozeßperipherie PP2 [1] aufgebaut. Die Analog-Digital-Wandlung wird mit der Platine PP2-AE8 (höchste Auflösung) oder PP2-AE71 (schneller, preiswerter) durchgeführt. Für die Multiplexung der Kanäle stehen die Platinen PP2-MU2 (Nullstromkorrektur) oder PP2-MU3 (Stomumkehrkorrektur) zur Verfügung.

Das Prinzip der Temperaturmessung folgt aus Bild 1. An das Gerät werden 28 Pt 25 oder Pt 100- Fühler in beliebiger Verteilung und Reihenfolge (R0 bis R27) sowie jeweils 2 Referenzwiderstände unterschiedlicher Größe (z. B. 0°C und 30°C entsprechend) für die Pt 25- bzw. die Pt 100-Messung (RR1 bis RR4) in Vierdrahttechnik angeschlossen. Zur Messung eines dieser Widerstände werden die ihm zugeordneten Schalter, die elektronisch realisiert sind, geschlossen. Dadurch wird der Widerstand mit einem Konstantstrom I beaufschlagt und der Spannungsabfall über dem Widerstand -vermindert um eine Offsetspannung U0 zur Nullpunktsunterdrückung- zum Verstärker durchgeschaltet, verstärkt und mittels eines Analog-Digital-Wandlers (ADW) digitalisiert. Zur Bestimmung der Temperatur eines Fühlers werden der Fühler und die beiden der Fühlerart entsprechenden Referenzwiderstände gemessen. Aus den Meßwerten und den bekannten Widerstandswerten der Referenzwiderstände wird dann der Widerstandswert des Fühlers durch Interpolation errechnet. Aus ihm folgt die Temperatur entsprechend der Beziehungen von DIN IEC 751 oder der ITS 95. Der Messung von Fühlern unterschiedlicher Fühlerart (Pt 25 oder Pt 100) wird durch die Anpassung des Konstantstromes (Stromumschalter) und die Benutzung entsprechender Referenzwiderstände Rechnung getragen.

Zur Ermittlung der Luftbrechzahl können Meßsysteme für Druck, Feuchte und CO2 -Gehalt der Luft an die Einrichtung angeschlossen werden. Außerdem kann die Einrichtung um Meßkanäle zur hochgenauen Temperaturmessung mit Thermoelementen erweitert werden.

Bild 1 Prinzipschaltung der Temperaturmeßeinrichtung mit Fehlerquellen

3 Meßunsicherheit

Im folgendem werden die Fehler (siehe Bild 1), die die Meßunsicherheit bestimmen, und die Maßnahmen zu ihrer Korrektur beschrieben.

Kanalunabhängige Fehler D I, D U0, D V

Sie ergeben sich durch Änderungen der für alle Kanäle gemeinsamen Meßparameter I (Konstantstrom), U0 (Offsetspannung) und V (Verstärkung).

Zur Korrektur werden mit jedem Fühler beide Referenzwiderstände gemessen und aus den Meßwerten und den bekannten Widerstandswerten der Referenzwiderstände der Widerstandswert des Fühlers durch Interpolation errechnet. Dadurch werden alle Fehler kompensiert, die sich durch Langzeitänderungen der Meßparameter ergeben und sich auf alle 3 Meßwerte gleichermaßen auswirken. Der Widerstandswert des Fühlers enthält nur noch die Fehler, die sich durch die Änderungen der Meßparameter während der Meßzeit , die etwa 2 s beträgt, ergeben und sich auf die 3 Meßwerte unterschiedlich auswirken. Zur Minimierung dieser Kurzzeitänderungen wurde konstruktiv darauf geachtet, daß sich beim Umschalten der Widerstände und des Stromes (siehe unten) nur geringe Leistungssprünge in den die Meßparameter bestimmenden Bauelementen ergeben. Dadurch sind auch die Änderungen der Temperatur und der elektrischen Werte dieser Bauelemente und damit die Änderungen der Meßparameter I, U0 und V gering.

Kanalabhängige Fehler (UTi, ILi)

Sie entstehen durch die parasitäre Thermospannungen UTi und die Leckströme ILi der elektronischen Schalter, die unterschiedliche, kanalabhängige Größen besitzen.

Zur Korrektur werden die Spannungsabfälle über den Widerständen jeweils bei beiden Stromrichtungen des Konstantstromes gemessen und die Meßwerte voneinander subtrahiert (Stromumkehrkorrektur). In der Differenz, die anstelle eines Einzelmeßwertes weiterverarbeitet wird, werden die Anteile der Nutzspannungen addiert und die der parasitären Thermospannungen subtrahiert bzw. kompensiert. Alternativ hierzu können die Spannungsabfälle über den Widerständen auch beim Konstantstrom I und beim Strom Null (abgeschalteter Strom) gemessen werden. Die Differenz aus den Meßwerten enthält dann den Anteil der Nutzspannung aus der ersten Messung und die subtrahierten bzw. kompensierten Störspannungsanteile aus beiden Messungen (Nullstromkorrektur). Letzteres Verfahren ist einfacher zu realisieren, aber ungünstiger bezüglich des Signal-Rausch-Verhältnisses. Von den Korrekturverfahren wird auch der Einfluß der Leckströme mit erfaßt, da die Impedanzen der Strompfade bei der Umschaltung des Meßstromes konstant gehalten werden.

Rauschspannung UR

In UR sind die Rauschanteile aller Bauteile zusammengefaßt (Widerstandsrauschen, Funkelrauschen der Verstärker usw.). UR ist von fundamentaler, die Meßunsicherheit begrenzender Bedeutung, da die Verstärkung wegen des gering zu haltenden Meßstromes (siehe unten) und des damit verbundenen kleinen Nutzsignales sehr groß zu wählen ist.

Zur Reduzierung des Rauschens wurden folgende Maßnahmen getroffen:

Verwendung rauscharmer Verstärkereingangsstufen, niederohmige Signalführung in der Eingangselektronik, Einengung des Frequenzbereiches durch Tiefpaßfilter, optimale Mittelung der zu messenden Analogspannungen.

Digitalisierungsfehler D FD

Der durch die Quantisierung und die Nichtlinearität des Analog-Digital-Wandlers entstehende Digitalisierungsfehler kann durch die Verwendung eines hochauflösenden und extrem linearen Sigma-Delta-Converters (20 Bit Auflösung, 18 Bit entsprechende Linearität) vernachlässigt werden.

Fehler der Referenzwiderstände D Rri

Für eine absolute Meßunsicherheit von 0,25 mK darf die relative Unsicherheit der Referenzwiderstände nur etwa 10-6 betragen.

Zur Erfüllung dieser hohen Anforderung wurde die in Bild 2 dargestellte Konstruktion der Referenzwiderstände gewählt.

Der untere Referenzwiderstand besteht aus einem großvolumigen, hochstabilen Präzisionswiderstand mit kalibrierter Widerstands-Temperatur-Kennlinie. Sein Widerstandswert wird dieser Kennlinie bei der jeweils aktuellen Temperatur entnommen, die mit einem thermisch gekoppelten Temperaturfühler gemessen wird. Zur Realisierung des oberen Referenzwiderstandes wird zum unteren Referenzwiderstand ein entsprechender Widerstand in Reihe geschaltet. An diesen Reihenwiderstand werden wesentlich geringere Anforderungen gestellt, da sein Anteil am Gesamtwiderstandes nur etwa 10% beträgt. Durch extrem kleine Meßströme (z. B. 0,025 mA bei Pt 100) wird die Eigenerwärmung der Referenzwiderstände und damit die temperaturbedingte Widerstandsänderung gering gehalten.

Fehler D ti der Platinfühler

Der Fehler der Platinfühler kann durch die Verwendung hochwertigen, reinen Fühlermaterials, eine mechanisch stabile Konvektionierung der Fühler und eine sorgfältige Kalibrierung (Anschluß an die ITS 90, Sekundärkalibrierung) auf unter 1 mK gehalten werden. Durch sehr geringe Meßströme (z.B. 0,025 mA für Pt 100) wird die Eigenerwärmung der Fühler minimiert.

Bild 2 Prinzipschaltung der Referenzwiderstände

4 Programm

Die Meßeinrichtung wird von einem ROM-residenten Programm eines Einplatinenrechners gesteuert. Für die Kommunikation nach außen steht eine RS-232 Schnittstelle zur Verfügung. Über diese Schnittstelle können die Temperaturmeßwerte von einem Auswertungsprogramm in einem PC angefordert und empfangen werden. Außerdem werden hierüber die Kalibrierwerte der Fühler zum Einplatinenrechner übertragen und dort in einem EEPROM gespeichert. Zur Darstellung und Weiterverarbeitung der Temperaturmeßwerte sowie zur Fühlerkalibrierung stehen verschiedene Auswertungsprogramme -meist Windows-Programme- zur Verfügung.

5 Ergebnis

Als zusammenfassendes Ergebnis werden hier die wichtigsten Spezifikationen der Temperaturmeßeinrichtung aufgelistet:

Temperaturfühler Pt 25/ Pt 100 (beliebig gemischt)

Meßunsicherheit der

Elektronik (ohne Fühler) < 0,5 mK

Anzahl der Meßkanäle typisch 14/30

Meßstrom 1 mA/ 0,025 mA (für Pt 25/ Pt 100)

Rechnerschnittstelle RS 232/IEEE488

6 Literatur

[1] Schuster H.-J., Hora C.-J., Prozeßperipherie PP2, Leistungsmerkmale und Anwendungshinweise,

PTB-F-28 (1997)